Ob Sie aus beruflichen Gründen zwei Jahre nach China gehen, sich auf Mallorca oder in Florida eine Auszeit nehmen und von dort aus arbeiten, den Lebensabend in Südfrankreich verbringen und aus Deutschland Rente beziehen — immer stellt sich die Frage nach der richtigen und zugleich vorteilhaften Gestaltung der steuerlichen Verhältnisse.
Unter anderem führt der Umzug oder auch nur die Verlagerung des Mittelpunktes der Lebensinteressen zwangsläufig zu einem Wechsel der steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Ansässigkeit. dies hat zur Folge, dass das Land, aus dem man wegzieht, Einkünfte und Vermögen sowie auch Schenkungen und Erbschaften nicht mehr wie bisher besteuern kann. Einigen Ländern ist das egal, Deutschland wie auch andere Staaten hingegen prüfen, ob man die bisherigen Einkunftsquellen auch nach dem Wegzug besteuern kann. Dasselbe gilt für die Besteuerung von Schenkungen und Erbschaften, sowie hinsichtlich der Besteuerung des Wertzuwachses bei Anteilen an Unternehmen. Deutschland hat diese Themen im Außensteuergesetz behandelt, zudem finden sich dazu Regelungen in verschiedenen Doppelbesteuerungsabkommen.
Diese Regelungen haben immer wieder zu Streit geführt, mehrfach musste auch der Europäische Gerichtshof EuGH entscheiden. Denn eine Besteuerung im Zeitpunkt des Wegzuges in ein anderes Land der EU oder in die Schweiz stellt grundsätzlich ein Hindernis in der Wahrnehmung der durch die EU garantierten Grundrechte dar. danach darf niemand an der freien Wahl seines Wohnortes gehindert werden. Der EuGH hart jedoch zugelassen, dass die Staaten untereinander entsprechende Vereinbarungen treffen und der Wertzuwachs in Anteilen an Kapitalgesellschaften Im Zeitpunkt des Wegzuges besteuert werden darf. Allerdings müssen die Staaten dem Steuerpflichtigen hinsichtlich der Zahlung entgegenkommen. Deutschland hat das Urteil des EuGH vom 26.2.2019 in einer Gesetzesänderung mit Wirkung zum 1.7.2021 umgesetzt, nachdem die vorausgegangene gesetzliche Regelung sich als mit der Rechtsprechung des EuGH als unvereinbar erwiesen hatte. Die neue Regelung gilt auch im Verhältnis zur Schweiz, welche sich in den bilateralen Verträgen mit der EU den europäischen Regeln angeschlossen hat.
Während bisher eine Unterscheidung getroffen wurde ob man in einem landder.eu umzieht oder in ein sogenanntes Drittland, z.B. in die USA, gelten ab dem 1.1.2022 die gleichen Regeln für alle Länder. Personen, die in den letzten 12 Jahren mindestens 7 Jahre in Deutschland einen Wohnsitz hatten, und die Anteile an einer Kapitalgesellschaft von mehr als 1% des Stammkapitals halten, werden im Zeitpunkt des Wegzuges so behandelt, als hätten sie die Anteile verkauft. Dasselbe gilt, wenn solche Anteile ins Ausland verschenkt oder vererbt werden. Es ist noch nicht abschließend geklärt, ob aufgrund der Fiktion des § 1a KStG 2022 auch Anteile an zur Körperschaftsteuerbesteuerung optierenden Personengesellschaften und Anteile an einer GmbH & Co KG in den Anwendungsbereich fallen.
Die Steuer muss auf Antrag jedoch zinslos gestundet werden. Wer innerhalb der nächsten 7 Jahre zurückkehrt, für den entfällt die Steuer rückwirkend. Der Zeitraum kann auf maximal 12 Jahre verlängert werden, was bei Entsendung und Arbeitnehmern ins Ausland durchaus Sinn macht. Bei Schenkungen kann der beschenkte ebenfalls zurückkehren bzw. erstmals nach Deutschland ziehen und so die Einkommensteuer, nicht aber die zusätzlich anfallende Schenkungsteuer vermeiden.
Auf Antrag ist die Steuer über 7 Jahre zu in gleichbleibenden Beträgen zu entrichten. Es ist regelmäßig eine Sicherheitsleistung erforderlich. Die erste Jahresrate ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Steuerbescheids zu entrichten; die übrigen Jahresraten sind jeweils am 31. Juli der Folgejahre fällig. Bei Nichtzahlung der Rate, Verkauf, hoher Dividende, Insolvenz, Schenkung der Anteile innerhalb des Stundungszeitraumes entfällt die Stundung und die Steuer ist sofort fällig.
In allen Fällen, in denen ein Umzug innerhalb der EU oder in die Schweiz erfolgt, empfehlen wir jedoch Einspruch gegen die Steuerbescheide einzulegen. Denn es ist nicht sicher, dass die neue gesetzliche Regelung der eingangs erwähnten Rechtsprechung des EuGH entspricht. Das Finanzgericht Baden-Württemberg hat im August 2020 im Sinne des Steuerpflichtigen entschieden, die Sache liegt jetzt beim Bundesfinanzhof und danach eventuell wieder beim EuGH.
Abgesehen von der Wegzugsbesteuerung im EWR-Raum besteuert Deutschland auch noch fünf Jahre nach dem Wegzug in ein niedrig besteuertes Gebiet jede Schenkung und Erbschaft, allerdings beschränkt auf das Inlandsvermögen. Zu den niedrig besteuerten Gebieten zählen neben der die Schweiz und Liechtenstein u.as. auch die USA, Türkei oder Chile. Der Steuerpflichtige hat die Möglichkeit, die Vermutung einer niedrigen Besteuerung im Ausland durch einen konkreten Belastungsvergleich zu widerlegen. Dazu muss er darlegen, dass seine Steuerbelastung nach dem Wegzug mindestens zwei Drittel seiner vergleichbaren Belastung bei unbeschränkter Steuerpflicht in Deutschland ausmacht.
Die erweiterte beschränkte Steuerpflicht findet jedoch nur dann Anwendung, wenn der Steuerpflichtige wesentliche wirtschaftliche Interessen in Deutschland behält. Dazu gehören unternehmerische Beteiligungen, oder Einkünfte, die mindestens 30% seines Gesamteinkommens betragen. Die 30% Marke gilt auch für inländisches vermögen im Verhältnis zum Gesamtvermögen. Ab 62.000 Euro Einkommen oder 154.000 Euro Inlandsvermögen greift die Besteuerung auch dann, wenn die 30% Marke nicht erreicht wird. Wenn die Empfänger der Schenkung oder Erbschaft in Deutschland leben, dann greift die unbeschränkte Steuerpflicht auch nach Ablauf der fünf Jahre.
Wer in Deutschland mindestens fünf Jahre unbeschränkt steuerpflichtig war und in die Schweiz umzieht, der wird im Jahr des Wegzugs und fünf weitere Jahre mit seinen Inlandseinkünften in Deutschland besteuert. Ausnahme: der Steuerpflichtige hat einen Schweizer Pass oder zieht im Zusammenhang mit seiner Hochzeit mit einem Schweizer Steuerbürger*in um in die Schweiz.