Ein Unternehmen ist in dem Land steuerpflichtig, in den es seinen satzungsmäßigen Sitz hat. Normalerweise werden in diesem Land auch die geschäftlichen Entscheidungen getroffen. Werden die Entscheidungen des täglichen Geschäfts jedoch in einem anderen Land getroffen, dann spricht man von einem sog. Verwaltungssitz im anderen Staat. Sofern ein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) vorliegt, verlagert sich das Besteuerungsrecht in den Staat, in dem sich der Verwaltungssitz befindet.
Ein Problem ergibt sich, wenn vor dem Umzug des Verwaltungssitzes Verluste entstanden sind. Diese können aufgrund nationaler Gesetze und auch nach den DBA dann nicht mehr mit künftigen Gewinnen im neuen Staat verrechnet werden.
Soweit es um Staaten innerhalb der EU geht, behindert das die freie Wahl der Niederlassung und verstößt gegen das Grundrecht der Niederlassungsfreiheit. Der EUGH hat dazu in seinem Urteil vom 27.2.2020 Stellung genommen. Die beteiligten Staaten in den Verfahren waren die Niederlande und Tschechien; das Urteil ist aber analog für alle anderen ist Sitzverlegungen innerhalb der EU maßgebend und gilt nach unserer festen Überzeugung aufgrund des Freizügigkeitsabkommens (FZA) auch im Verhältnis zur Schweiz.
Der EUGH bestätigt, dass ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit vorliegen könnte. Er sieht jedoch keine Notwendigkeit, die grenzüberschreitende Verlustverrechnung per se zuzulassen, weil unter anderem wegen des fortbestehenden Sitzes im Herkunftsland eine doppelte Verlustnutzung nicht auszuschließen sei.
Die Rechtsprechung zur Nutzung finaler Verluste sei nicht auf die Fälle der Verlegung des Verwaltungssitzes übertragbar. Etwas anderes gilt folglich, wenn das Unternehmen tatsächlich seinen statuarischen Sitz in ein anderes Land verlegt. dann müssen finale Verluste Im Herkunftsstaat im neuen Sitzstaat berücksichtigt werden.
Das Urteil des EUGH gilt nicht In Bezug auf endgültige Verluste einer EU / EWR Betriebsstätte. insoweit gelten die Grundsätze der Rechtsprechung zu den finalen Verlusten. Wer aufgrund der Schließung einer Betriebsstätte In einem Land die dort aufgelaufenen Verluste steuerlich nicht mehr nutzen kann, der darf diese Verluste im Sitzstaat des Unternehmens mit den dort steuerpflichtigen Gewinnen verrechnen.