Steuerliche Verluste

Das Steuerrecht der meisten Industrieländer ist darauf ausgerichtet, den Gewinn auf Basis eines Wirtschaftsjahres zu ermitteln und das Ergebnis dann der Besteuerung zugrunde zu legen. Dabei ist das Wirtschaftsjahr von Unternehmen in der Regel zwar immer ein 12 Monate umfassender Zeitraum, aber nicht unbedingt identisch mit dem Kalenderjahr. Unterjährige Gewinne und steuerliche Verluste werden damit innerhalb des Wirtschaftsjahres in den einzelnen Monaten automatisch miteinander verrechnet.

Inhaltsverzeichnis

Wenn steuerliche Verluste im Unternehmen entstehen

Probleme tauchen dann auf, wenn aufgrund wirtschaftlicher Entwicklung oder allein aufgrund steuerlicher Vorschriften in einem Jahr Gewinne auszuweisen sind und im anderen Jahr steuerliche Verluste entstehen. Auf rein nationaler Ebene lassen die Staaten dann ganz oder teilweise einen Verlustrücktrag zu mit der Folge, dass die Gewinne früherer Jahre nachträglich niedriger oder gar nicht besteuert werden. Nicht in die Vergangenheit zurückgetragene Verluste können meist mit Gewinnen der Folgejahre verrechnet werden. Was In jedem Fall bleibt, ist ein Liquiditätsproblem. In den meisten Fällen wird aber auch kein vollständiger Ausgleich von Gewinnen und Verlusten stattfinden.

In Deutschland werden die Ergebnisse nach den Vorschriften zur Einkommensteuer beziehungsweise Körperschaftsteuer ermittelt. Diese Ergebnisse werden dann in einem zweiten Schritt auf der Gewerbesteuer zugrunde gelegt. Während es bei der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer einen Verlustrücktrag gibt, ist dieser bei der Gewerbesteuer ausgeschlossen. Verluste im Jahr 2020 können daher nachträglich mit Gewinnen des Jahres 2019 verrechnet werden, dennoch bleibt es bei der festgesetzten Gewerbesteuer für das Jahr 2019.

Pauschaler Verlustrücktrag im Zuge der Corona-Hilfe

Wenn Sie die Steuerklärung 2019 noch nicht abgegeben, aber Vorauszahlungen gelistet haben und als Freiberufler, Gewerbetreibender oder als Vermieter tätig sind,  gestattet das Finanzamt ohne nähere Nachweise einen rückwirkenden Steuerabzug von 15% Ihres Einkommens. Dadurch erhalten Sie die entsprechenden Vorauszahlungen zurück auf Ihr Konto. Wer einen höheren Abzug begehrt, muss nachweisen, dass Corona ihn stärker belastet hat. Sobald wieder gewinne erzielt werden, wird der pauschale Verlustrücktrag kompensiert.

Steuerliche Verluste in steuerliche Vorteile konvertieren durch rückwirkende Umwandlung

Das deutsche Recht erlaubt Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen eine bis zur 8 Monaten in die Vergangenheit zurückwirkende Änderung der Rechtsform. Aufgrund der Corona-Pandemie wurde die Rückwirkung auf maximal 12 Monate erweitert. Damit kann zum Beispiel eine GmbH, die im Jahr 2019 noch Gewinne erwirtschaftet hat, aufgrund des Lockdown im ersten Halbjahr 2020 aber nur noch Verluste schreibt, z.B. jetzt noch mit Wirkung zum 30.11.2019 in eine Personengesellschaft umgewandelt werden. Diese kann das Wirtschaftsjahr abweichend vom Kalenderjahr bestimmen z.B. auf 30. Juni eines Jahres.

Auf diese Weise werden die Gewinne von Dezember 2019 bis März 2020 mit den Verlusten des ersten Halbjahrs 2020 verrechnet. Im Ergebnis würde die GmbH für das Jahr 2019 somit nur den Gewinn der ersten Monate versteuern. Die Personengesellschaft muss für das Jahr 2019 abgesehen von der Umsatzsteuer gar keine Steuererklärung abgeben. Die Steuererklärung für das Jahr 2020 umfasst dann den Zeitraum ab der Umwandlung bis zum Ende des ersten Wirtschaftsjahres. Auf diese Weise kann auch das Jahr 2020 mit einer Nullbesteuerung enden.

Da infolge der Umwandlung die GmbH ohne Liquidation erlischt, stellt sich im Jahr 2020 auch nicht die Frage, ob das Unternehmen überhaupt noch mit Fortführungswerten bilanzieren darf. Es stellt sich auch nicht mehr die Frage einer Insolvenzantragspflicht wegen bilanzieller Überschuldung.

Umwandlung von Verlusten in künftige Abschreibungen

Das Umwandlungssteuergesetz räumt dem Steuerpflichtigen beim Wechsel der Rechtsform und auch bei der Einbringung seines Unternehmens, eines Mitunternehmeranteils und auch bei der Einbringung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft in ein anderes Unternehmen weitgehende Wahlrechte ein. So ist es möglich, die bisherigen Buchwerte einfach weiterzuführen. Bei dem Einbringenden entstehen damit keine steuerlichen Gewinne. Das übertragene Vermögen wird steuerlich weitgehend gleichbehandelt wie vorher.

Es besteht jedoch keine Verpflichtung, das Vermögen zum Buchwert zu übertragen. Bis zur Höhe des tatsächlichen Verkehrswertes kann jeder x‑beliebige Wert zum Ansatz kommen. In Höhe der Differenz zwischen dem angesetzten Wert und den Buchwert entsteht beim übertragenden Rechtsträger dann ein Veräußerungsgewinn. Dieser unterliegt jedoch nur der Einkommensteuer, nicht hingegen der Gewerbesteuern.

Der Veräußerungsgewinn kann steuerlich mit den Verlusten aus der laufenden Geschäftstätigkeit verrechnet werden. Da aufgrund der Bewertungsfreiheit die Möglichkeit besteht, den Veräußerungsgewinn gegebenenfalls exakt in Höhe der steuerlichen Verluste zu deklarieren, ergibt sich aus der Auslösung der Stillen Reserven keine Steuerbelastung.

Der übernehmende Rechtsträger kann auch ein eigens dafür gegründetes, neues Unternehmen sein. Dieses Unternehmen setzt das übertragene Vermögen mit dem Wert an, den der Übergeber versteuert hat. Damit weist das Unternehmen ein höheres buchmäßiges Vermögen aus, was sich positiv auf das Eigenkapital und die Bonität auswirkt. Es schreibt fortan von diesem höheren Wert ab. Die Abschreibungen reduzieren dann die Einkommen- oder Körperschaftsteuer wie auch die Gewerbesteuer.

Steuerliche Verluste grenzüberschreitend – Verlustverrechnung

Unternehmen, die auch im Ausland tätig sind, müssen ihre Ergebnisse nach den nationalen Vorschriften ermitteln und aufteilen. Soweit im Ausland ein Tochterunternehmen besteht, werden die Liefer- und Leistungsbeziehungen einer kritischen Prüfung unterzogen. Die Analyse von Chancen, Risiken und Funktionen in den beteiligten Unternehmen hat dabei die Aufgabe, eine gerechte Zuordnung der steuerlichen Ergebnisse zu bewirken. Dies geschieht über die Dokumentation zur Gestaltung der Verrechnungspreise. Dabei wird in einem fiktiven Fremdvergleich ermittelt, wie fremde Dritte diese Lieferungen und Leistungen bewertet und fakturiert hätten.

Für Steuerprüfer ergibt sich damit ein weites Feld, das steuerliche Ergebnis ihres Landes nach oben zu verändern. Dass korrespondierend im anderen Land weniger zu versteuern wäre, interessiert sie meist gar nicht. Ohnedies würde das andere Land nicht so ohne Weiteres von sich aus freiwillig Steuern zurückzahlen. Es kommt deshalb darauf an, die steuerliche Situation in allen beteiligten Ländern parallel zu organisieren und im Griff zu behalten.

Sitzverlegung in ein anders EU-Land und in die Schweiz

Ein Unternehmen ist in dem Land steuerpflichtig, in den es seinen satzungsmäßigen Sitz hat. Normalerweise werden in diesem Land auch die geschäftlichen Entscheidungen getroffen. Werden die Entscheidungen des täglichen Geschäfts jedoch in einem anderen Land getroffen, dann spricht man von einem sog. Verwaltungssitz im anderen Staat. Sofern ein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) vorliegt, verlagert sich das Besteuerungsrecht in den Staat, in dem sich der Verwaltungssitz befindet.

Ein Problem ergibt sich, wenn vor dem Umzug des Verwaltungssitzes Verluste entstanden sind. Diese können aufgrund nationaler Gesetze und auch nach den DBA dann nicht mehr mit künftigen Gewinnen im neuen Staat verrechnet werden.

Soweit es um Staaten innerhalb der EU geht, behindert das die freie Wahl der Niederlassung und verstößt gegen das Grundrecht der Niederlassungsfreiheit. Der EUGH hat dazu in seinem Urteil vom 27.2.2020 Stellung genommen. Die beteiligten Staaten in den Verfahren waren die Niederlande und Tschechien; das Urteil ist aber analog für alle anderen ist Sitzverlegungen innerhalb der EU maßgebend und gilt nach unserer festen Überzeugung aufgrund des Freizügigkeitsabkommens (FZA) auch im Verhältnis zur Schweiz.

Der EUGH bestätigt, dass ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit vorliegen könnte. Er sieht jedoch keine Notwendigkeit, die grenzüberschreitende Verlustverrechnung per se zuzulassen, weil unter anderem wegen des fortbestehenden Sitzes im Herkunftsland eine doppelte Verlustnutzung nicht auszuschließen sei.

Die Rechtsprechung zur Nutzung finaler Verluste sei nicht auf die Fälle der Verlegung des Verwaltungssitzes übertragbar. Etwas anderes gilt folglich, wenn das Unternehmen tatsächlich seinen statuarischen Sitz in ein anderes Land verlegt. dann müssen finale Verluste Im Herkunftsstaat im neuen Sitzstaat berücksichtigt werden.

Das Urteil des EUGH gilt nicht In Bezug auf endgültige Verluste einer EU / EWR Betriebsstätte. insoweit gelten die Grundsätze der Rechtsprechung zu den finalen Verlusten. Wer aufgrund der Schließung einer Betriebsstätte In einem Land die dort aufgelaufenen Verluste steuerlich nicht mehr nutzen kann, der darf diese Verluste im Sitzstaat des Unternehmens mit den dort steuerpflichtigen Gewinnen verrechnen.

Vermeidung einer Doppelbesteuerung

Dazu gibt es auch Instrumente. So ist in allen gängigen Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung geregelt, dass Liefer- und Leistungsbeziehungen in verbundenen Unternehmen einem fiktiven Fremdvergleich standhalten müssen. Wenn das nicht erfüllt ist, muss das steuerliche Ergebnis in beiden Vertragsstaaten nachträglich korrigiert werden.

Wenn in einem der beteiligten Unternehmen Gewinne erwirtschaftet werden, im anderen aber Verluste, dann können diese per se nicht miteinander verrechnet werden. Es lohnt sich aber, Liefer- und Leistungsbeziehungen in verbundenen Unternehmen einer Risiko- und Funktionsprüfung zu unterziehen und gegebenenfalls die Verrechnungspreise nachträglich zu korrigieren. Auf diese Weise kommt man dann eben doch sehr oft zu einem mindestens anteiligen Verlustausgleich.

Finale Verluste aus ausländischen Betriebsstätten oder Tochtergesellschaften in der EU

Das Steuerrecht lässt eine Verrechnung von Gewinnen und Verlusten jeweils nur auf nationaler Ebene zu. Das sieht der Europäische Gerichtshof allerdings dann als kritisch an, wenn es sich um Verluste aus EU-Betriebstätten oder aus Tochtergesellschaften in der EU handelt. Wenn der Steuerpflichtige darlegen kann, dass er die im Ausland erlittenen Verluste nie mehr mit Gewinnen in diesem Land verrechnen kann, dann muss der Heimatstaat entgegen seiner nationalen Gesetze die Verrechnung der ausländischen Verluste mit inländischen Gewinnen zulassen.

Der Nachweis kann dadurch geführt werden, dass man sich aus dem anderen Land vollständig zurückzieht und man erklärt, dort auch nicht wieder geschäftlich tätig zu werden. Folglich kann man in dem anderen Land auch keine Gewinne mehr erzielen, wodurch die Verluste steuerlich endgültig, das heißt „final“ nicht mehr berücksichtigt würden. Darin sieht der EUGH einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit und zwingt die Mitgliedstaaten dazu, diese finalen Verluste anzuerkennen.

Die Urteile des EUGH eröffnen Gestaltungsräume. Denn die Finalität kann auch durch Umwandlung ausländischer EU-Betriebsstätten in eine Kapitalgesellschaft herbeigeführt werden.

Problem: Bereits verfallene Auslandsverluste können durch die Gestaltung nachträglich nicht mehr reanimiert werden. Daher ist rechtzeitiges Handeln geboten. Auch in reinen Inlandsfällen ist jeder steuerliche Verlust darauf zu prüfen, wie dieser im Rahmen einer globalen Betrachtung nutzbar, das heißt in Liquidität umgewandelt werden kann.

Unternehmenskauf mit steuerlichen Verlustvorträgen

Beim Kauf von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, die über steuerliche Verlustvorträge verfügt, muss geprüft werden, ob wegen des Gesellschafterwechsels die Verlustvorträge ganz oder teilweise wegfallen. Die entsprechende Regelung im deutschen Recht findet sich in § 8c KStG.

Danach kommt es weniger auf die vertraglichen Regelungen an als vielmehr auf die betriebswirtschaftlichen Inhalte in der fortgeführten Gesellschaft an. Der Verlustvortrag fällt vollständig weg, wenn innerhalb von fünf Jahren mehr als 50% der Anteile direkt oder mittelbar auf einen Erwerber oder eine Erwerbergruppe übertragen werden. Werden zwischen 25 % und 50 % übertragen, erfolgt ein anteiliger beziehungsweise quotaler Wegfall. Übertragungen innerhalb eines Konzerns fallen nicht unter diese Restriktion. Der Wegfall tritt auch dann nicht ein, wenn das übertragene Unternehmen über ausreichende Stillen Reserven verfügt.

Jürgen Bächle
Jürgen Bächle

ist seit 1989 als selbständiger Steuerberater und Experte im internationalen Steuerrecht tätig und seit über 20 Jahren Mitglied im Vorstand des Deutschen Steuerberaterverbandes Baden-Württemberg, DSTVBW.

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