Jahresabschluss

Der Jahresabschluss in seinen unterschiedlichen Erscheinungsformen ist ein wichtiges Mittel zur Information, Bildung von Vertrauen und zum Schutz des Unternehmens.

Inhaltsverzeichnis

Definition: Was ist der Jahresabschluss?

Als Jahresabschluss bezeichnet man den finanziellen Abschluss eines kaufmännischen Geschäftsjahres. Erfunden wurden die Buchhaltung und der Jahresabschluss schon im 15. Jahrhundert zum Nachweis der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit von Kaufleuten. Wer sich nachweislich an die strengen Regeln hielt und eine gesunde Bilanz vorzuweisen hatte, dem konnte man vertrauen und ihm ein Zahlungsziel oder Kredit einräumen. Daran hat sich bis heute im Grunde nichts geändert.

Jahresabschluss: Adressaten mit unterschiedlichen Erwartungen

Jahresabschlüsse sind daher eine wichtige Informationsquelle des Unternehmens, nicht nur gegenüber Geschäftspartnern. Sie dienen der Information und Kontrolle der Eigentümer beziehungsweise von Anteilseignern über das Geschehen in einem festgelegten Zeitraum. Finanzierungspartner, vor allem die Banken, haben bereits einen gesetzlichen Auftrag, die Jahresabschlüsse zu verlangen und zu prüfen, zusätzlich ist die Pflicht zur Vorlage in allen gängigen Kreditverträgen vereinbart.

Nicht zuletzt verlangen die Finanzbehörden den Jahresabschluss. Neuerdings hat dies im Rahmen der sogenannten Taxonomie zur effizienten Kontrolle und Vergleichen mit anderen Steuerpflichtigen in elektronischer Form und nach amtlich vorgeschriebener Gliederung zu erfolgen.

Die Interessen dieser Adressaten sind selten identisch. Gegenüber den Banken oder potenziellen Investoren will man möglichst gut aussehen, gegenüber dem Finanzamt das steuerpflichtige Ergebnis möglichst niedrig ausweisen. Beides ist zur gleichen Zeit zulässig und möglich.

Jahresabschluss Analyse und Beurteilung

Die unterschiedlichen Interessen der Adressaten lassen es kaum zu, einen einheitlichen Abschluss zu erstellen und damit jedes Informationsinteresse zu bedienen. Der Jahresabschluss hat die Funktion, Vertrauen zu schaffen gegenüber dem wirtschaftlichen und fiskalischen Umfeld des Unternehmens.

Basierend auf (immer nur national) einheitlichen Regeln soll zum Ende eines jeden Geschäftsjahres ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens‑, Finanz- und Ertragslage dargestellt werden. Bei international tätigen Unternehmen steht damit bereits das Problem im Raum, dass auf jeweils nationaler Ebene der Jahresabschluss nach lokalen Regeln zu erstellen ist. Damit sind die Abschlüsse nicht miteinander vergleichbar. Entscheider brauchen aber zur Analyse und Beurteilung eines Jahresabschlusses den Blick aufs Ganze, das in sich stimmig nach einem einheitlichen Standard beziehungsweise Rezept erstellt sein muss.

Wahl des Geschäftsjahres

Während die Bilanz das punktgenau zum Stichtag vorhandene Vermögen und dessen Finanzierung darstellt, ist in der Erfolgsrechnung das wirtschaftliche Ergebnis des Geschäftsjahres damit eines konkreten Zeitraums abgebildet. Dabei ist es keineswegs so, dass ein Geschäftsjahr grundsätzlich am 1. Januar beginnt und am 31. Dezember endet. Es besteht auch die Möglichkeit, ein Wirtschafts- bzw. Geschäftsjahr abweichend vom Kalenderjahr zu wählen. Dieses Wahlrecht besteht bei der Gründung eines Unternehmens immer, wobei die Entscheidung nicht bereits bei der Gründung getroffen werden muss. Maßgebend für das Ende des ersten Geschäftsjahres ist der Zeitpunkt, auf den man den Jahresabschluss tatsächlich erstellt.

Das Geschäftsjahr beziehungsweise Wirtschaftsjahr kann somit auch den Zeitraum vom 1. September des einen Jahres bis zum 31. August des Folgejahres umfassen. Die getroffene Wahl ist für die Folgejahre bindend. Jedoch kann man in Deutschland und auch in einigen anderen Ländern ohne Zustimmung der Finanzverwaltung eine Umstellung auf das Kalenderjahr vornehmen und erzielt damit finanziell interessante Effekte.

Denn rein steuerrechtlich wird das im gesamten Geschäftsjahr erwirtschaftete Ergebnis so behandelt, als wäre es am letzten Tag des Geschäftsjahres erzielt worden. Im oben genannten Beispiel würde das Ergebnis des Geschäftsjahr 2020 / 2021, das den Zeitraum vom 1. September 2020 bis zum 31. August 2021 umfasst, vollumfänglich im Jahr 2021 versteuert. Damit könnten Gewinne aus dem Zeitraum vor der Corona-Krise mit den danach erlittenen Verlusten verrechnet und damit Steuern gespart werden.

Kosten beim Steuerberater und Wirtschaftsprüfer sparen

Bei international tätigen Unternehmen lassen sich durch eine einheitlich, für alle Gesellschaften geltende Wahl des Geschäftsjahres zudem Kosten für den Steuerberater und Wirtschaftsprüfer sparen. Wer in eine Niederlassung in einem Land hat, in dem das Steuerjahr vom Kalenderjahr abweicht, zum Beispiel Großbritannien oder Japan, der müsste für den Konzernabschluss das britische oder japanische Unternehmen einen zusätzlichen Jahresabschluss auf den Bilanzstichtag der Muttergesellschaft erstellen.

Das gilt natürlich umgekehrt, wenn das deutsche Unternehmen zu einem japanischen Konzern gehört. Es ist daher generell zu überlegen, das Geschäftsjahr aller Tochterunternehmen an das des Mutterhauses anzugleichen.

Handelsbilanz – international unterschiedliche Standards

Jeder Staat hat praktisch seine eigenen Regeln, nicht einmal in der EU ist man sich einig. So kann ein und dasselbe Unternehmen im deutschen HGB-Standard einen Gewinn ausweisen, nach dem internationalen Standard IFRS aber einen Verlust – und umgekehrt. Das ist bei international tätigen Unternehmen ein Problem. Denn die Sichtweise des Betrachters folgt meist dessen Heimat-Standard.

So neigen deutsche Unternehmer dazu, rein äußerlich überall in der Welt ähnlich in Erscheinung tretende Bilanz als HGB-Bilanz zu interpretieren. Dem entsprechend werden sie ihre Schlüsse daraus ziehen und Entscheidungen treffen. Wenn dem Jahresabschluss aber der US-amerikanische Standard US-Gaap oder der chinesische Standard CAS zugrunde liegt, ist die Interpretation und die darauf gründende Entscheidung mit hoher Wahrscheinlichkeit falsch.

Interpretation Jahresabschluss

Einen Jahresabschluss lesen zu können bedeutet eben nicht, ihn auch richtig zu interpretieren und zu verstehen. Im internationalen Geschäft ist es deshalb notwendig, den nach ausländischem Recht erstellten Jahresabschluss, die sogenannte Handelsbilanz 1 (HB1) auf den Standard des Investors beziehungsweise des Mutterhauses überzuleiten (HB2), um so den Verantwortlichen und Finanzierungpartnern eine belastbare Grundlage zur Verfügung zu stellen.

Soweit nach nationalem Recht eine Pflicht zur Konsolidierung der Jahresabschlüsse, eine Pflicht zur Konzernrechnungslegung besteht, muss schon aus gesetzlichen Gründen eine Überleitung der Handelsbilanz auf den Standard der Obergesellschaft erfolgen.

Konsolidierung – Konzernabschluss

Nach fast allen Rechtsordnungen muss deshalb bei mehrgliedrigen Unternehmen vom Mutterunternehmen neben dem nationalen Einzelabschluss zudem ein konsolidierter, handelsrechtlicher Jahresabschluss beziehungsweise Konzernabschluss nach dem Recht des Landes erstellt werden, in dem die Muttergesellschaft handelsrechtlich ansässig ist.

Die Verhältnisse sind so darzustellen, als handle es sich insgesamt um ein einziges Unternehmen. Die Geschäftsvorfälle untereinander werden deshalb neutralisiert, Forderungen und Verbindlichkeiten innerhalb der Gruppe gegeneinander aufgerechnet.

Steuerrechtlich hingegen sind keine zusammenfassenden Jahresabschlüsse zu erstellen. Denn jedes Land besteuert isoliert das Einkommen der dort ansässigen Gesellschaften, bereinigt um das nach den jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommen zugerechnete oder freizustellende Einkommen. Eine Verrechnung von Gewinnen in diesem Land mit Verlusten aus anderen Ländern erfolgt nicht.

Aber auch das in der jeweiligen Steuerbilanz ausgewiesene Ergebnis ist noch nicht immer das, was schlussendlich besteuert wird. Das Einkommen in der Steuerbilanz wird außerhalb der Bilanz berichtigt, wenn zum Beispiel die Verrechnungspreise für Lieferungen und Leistungen mit verbundenen Unternehmen nicht einem fiktiven Fremdvergleich entsprechen.

Vorbereitung auf die Pflichtprüfung durch den Wirtschaftsprüfer

Die Jahresabschlüsse können nach jeweils nationalem Recht einer gesonderten Pflicht zur Prüfung durch einen unabhängigen Wirtschaftsprüfer unterliegen. Während in einigen Ländern wie z.B. China sich die Prüfungspflicht auch bei Kleinstgesellschaften ergibt, kennt Deutschland die Prüfungspflicht im Wesentlichen nur für Kapitalgesellschaften ab bestimmten Größenklassen.

Die Pflicht besteht für den nationalen Einzelabschluss gesondert neben der Prüfungspflicht für den Konzernabschluss. Somit können die Größenmerkmale für den Einzelabschluss unterschritten und dieser somit nicht prüfungspflichtig sein, während der Konzernabschluss aber dennoch prüfungspflichtig ist. Wenn durch die Einbeziehung von Tochtergesellschaften der Konzernabschluss aber in eine andere Größenklasse einzuordnen ist, dann müssen alle untergeordneten Gesellschaften ebenfalls geprüft werden.

Ein Problem ergibt sich bei Konzernprüfungen in der Weise, dass der Abschlussprüfer sich von Gesetzes wegen nicht einfach auf das Testat ausländischer Prüfer verlassen darf. Er muss sich persönlich von der Richtigkeit des ausländischen Abschlusses überzeugen. Das wird schwierig, wenn die lokale Buchhaltung und der lokale Jahresabschluss samt Prüfungsbericht nur in kyrillischen, japanischen oder chinesischen Schriftzeichen erstellt ist.

Software für die Buchhaltung

Wir haben daher eine Software entwickelt, mithilfe derer wir in China und Russland die Buchhaltung nach lokalem Recht und in lokaler Schrift erstellen. Parallel stellen wir im gleichen Arbeitsgang den jeweiligen Geschäftsvorfall auch nach HGB bzw. im Standard des Mutterhauses und damit in deren Sprache dar. Man spricht dabei von der Erstellung der HB2.

Zur Vorbereitung auf den Konzernabschluss werden zudem die im Ausland gebuchten Kunden in der HB2 allesamt auf den Kontenrahmen des Mutterhauses gemappt. Damit kann die gesamte Buchhaltung und kann der Jahresabschluss des ausländischen Unternehmens in System des Mutterhauses, z.B. DATEV oder SAP übernommen und eingespielt werden. Somit hat auch der Konzernprüfer die Möglichkeit, jeden einzelnen Geschäftsvorfall nachzuvollziehen. Zudem sind die vom Steuerrecht geforderten, erweiterten Mitwirkungspflichten bei Auslandssachverhalten erfüllt. Vor allem aber haben die Berater des Unternehmens und deren Entscheider eine belastbare Grundlage zur Beurteilung der Gesamtsituation wie auch die Vergleichbarkeit der nationalen Einzelabschlüsse.

Steuerbilanz – Anforderungen absichtlich übererfüllen

Alle Staaten nutzen die kaufmännische Gewinnermittlung, und legen den im Jahresabschluss ermittelten Gewinn der Einkommensteuer der Kaufleute zugrunde. Um deren geschäftliches Verhalten in die politisch gewollte Richtung zu lenken, sind in praktisch allen Steuergesetzen dieser Welt entsprechende Lenkungsgesetze integriert. In welche Richtung gelenkt wird, darüber hat jedes Land und hat jede Regierung ihre eigenen Vorstellungen. Wegen der Vielzahl von Lenkungsmaßnahmen hat sich die Steuerbilanz in allen Ländern zunehmend von der lokalen, handelsrechtlichen Bilanz entfernt. Abgesehen von Kleinstunternehmen und einigen Ausnahmen ist die Erstellung einer separaten, aus der Handelsbilanz abgeleiteten Steuerbilanz erforderlich.

In Deutschland und auch in vielen anderen Ländern hat die Finanzverwaltung digital aufgerüstet. Die Steuerbilanzen sind nach vorgegebenen Mustern zu erstellen und elektronisch einzureichen. Erläuterungen zu einzelnen Posten der Bilanz oder Ertragsrechnung sind dabei nicht vorgesehen. Das erleichtert der Finanzverwaltung die Arbeit, schützt sie aber auch vor Wissen, das sie gar nicht haben will, um später bei der Betriebsprüfung ganz weit ausholen zu können. In den klassischen Jahresabschlüssen in Papierform konnte man über das Geschäftsjahr berichten.

Alles, was in den Jahresabschlüssen geschrieben stand, galt als dem Finanzamt bekannt. Es kam nicht darauf an, ob der Finanzbeamte das gelesen hat oder nicht. Wenn auf diese Weise als bekannte unterstellte Sachverhalte seitens der Finanzverwaltung später anders beurteilt wurden, konnte sie sich nicht auf angeblich „neue Tatsachen“ berufen und den Bescheid ändern.

Zur Sicherheit unserer Kunden raten wir dazu, dem Finanzamt neben der elektronischen Bilanz deshalb auch eine Papierversion mit umfangreichen Erläuterungen zuzusenden, was dort teilweise auch als Aufdrängen interpretiert wird.

Handelsrecht contra Steuerrecht

Anders als im Handelsrecht gibt es im Steuerrecht keine Pflicht zur Konsolidierung oder zur Konzernrechnungslegung. Das führt dazu, dass die Unternehmen Im Sinne der Steuerbilanz nur selten eine globale Sicht haben. Dabei stehen Instrumente und Regeln zur Verfügung, die international gesehen zu einem gerechten, und für das Unternehmen auch optimalen Gesamt-Steuerergebnis führen. Es liegt daher im Interesse der Unternehmen, eine weltweite Steuerstrategie und Steuerplanung verfolgen.

Primäres Ziel ist einer umfassenden Steuerstrategie sollte es nicht sein, nur die Steuern in einem Land im Auge zu haben und zu senken, sondern globale Steuersicherheit zu erreichen. Es soll über alle Länder gesehen nur das versteuert werden, was man insgesamt auch verdient hat.

 

Publizität — der öffentliche Umgang mit dem Jahresabschluss

In vielen Ländern werden seitens der Behörden die Steuererklärungen und Jahresabschlüsse aller Unternehmen im Internet veröffentlicht. In Deutschland ist das anders. Hier sind lediglich die Kapitalgesellschaften verpflichtet, ihren handelsrechtlichen Jahresabschluss beim Bundesanzeiger zu hinterlegen, und auch das nur in einer stark verkürzten Version. An dieser öffentlichen Theke bedienen sich hauptsächlich Auskunfteien, die ihrerseits die Abschlüsse analysieren und mit den Daten handeln. Zudem können Personen und Unternehmen mit glaubhaftem Interesse dort gezielt die hinterlegten Jahresabschlüsse einsehen. Daher hat sich die Haltung verbreitet, nur das Mindestmaß an Informationen preiszugeben und die Offenlegung auf das Minimum zu reduzieren.

Einige andere Unternehmen, vor allem aber alle börsennotierten Unternehmen, Banken und Versicherungen hingegen sehen in der umfassenden Berichterstattung ein wirksames Mittel der Öffentlichkeitsarbeit bis hin zur Gewinnung von qualifizierten Fachkräften. Wer sich gut präsentiert, der schafft Vertrauen, womit wir wieder da ankommen, warum man den Jahresabschluss überhaupt erfunden hat.

Jürgen Bächle
Jürgen Bächle

ist seit 1989 als selbständiger Steuerberater und Experte im internationalen Steuerrecht tätig und seit über 20 Jahren Mitglied im Vorstand des Deutschen Steuerberaterverbandes Baden-Württemberg, DSTVBW.

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