Die EU-Definition des Grenzgängers, die neben der Fahrt vom Wohnsitz zur Arbeitsstätte über eine Grenze hinweg die tägliche oder wöchentliche Rückkehr an den Wohnsitz verlangt, hat im wesentlichen Bedeutung für den sozialen Schutz der betreffenden Arbeitnehmer in der Europäischen Union. So soll im Regelfall der Ort der physischen Arbeitsausübung maßgebend dafür sein, welchem Sozialsystem der Arbeitnehmer angehört.
Solange es nur einen Ort gibt, an dem die Arbeit ausgeübt wird, sollte es also nicht allzu schwierig sein, die SV-Pflicht zutreffend zu bestimmen. Ausnahmen bestätigen die Regel, erinnert sei an dieser Stelle nur an die sog. Entsendung durch den Arbeitgeber in ein anderes Land. Schwieriger wird es, wenn die Arbeit in mehreren Ländern ausgeübt wird.
Da das SV-Recht nur schwarz oder weiß kennt, also 100%-Pflicht entweder in dem einen oder in dem anderen Land, muss man aber schon sehr genau prüfen. Das wird deutlich an folgendem Beispiel, das aber nur für die EU-Staaten und die Schweiz gilt:
a) Schweiz
Art. 15a des deutsch-schweizer DBA definiert den Grenzgänger als Ausnahme zum Regelfall darüber, dass der Arbeitnehmer, der täglich oder nahezu täglich an seinen Wohnort im jeweils anderen Land zurückkehrt. Diese Ausnahmeregelung greift dann nicht, wenn der Arbeitnehmer an mehr als 60 Tagen aus beruflichen Gründen nicht an seinen Wohnort zurückkehrt. Die Tage muss man eher als Nächte beschreiben, es geht also um die Anzahl der auswärtigen Übernachtungen.
Regelmäßig entsteht allen Ernstes Streit darüber, wie man von 1 bis 60 zählt. Grundsätzlich können nur solche Tage / Nächte berücksichtigt werden, an denen auch gearbeitet wird. Wochenenden scheiden i.d.R somit aus. Auch Krankheitstage zählen nicht mit. Krankheit zählt selbst dann als privater Anlass, wenn es sich um eine berufsbedingte Erkrankung handelt. Wenn der behandelnde Arzt, der in Basel wohnt und an der Uni-Klinik Freiburg beschäftigt ist, und dort Nachtdienst hat, um bei Notfällen schnell verfügbar zu sein, dann zählt dessen eindeutig berufsbedingte Übernachtung auch nicht bei der Ermittlung der 60 Nächte.
Man stellt insoweit darauf ab, dass der Dienst durchgehend von einem Tag auf den anderen geleistet wurde. Die beruflichen Gründe gelten dann als nachgewiesen, wenn zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (es ist jeweils die exakte Adresse maßgebend) mehr als 110 km Entfernung liegen oder die einfache Fahrt länger als 1,5 Stunden dauern würde.
Hat der Arbeitnehmer ein Fahrzeug zur Verfügung, dann ist die Fahrt mit diesem Fahrzeug maßgebend, ansonsten gelten die Fahrpläne öffentlicher Verkehrsmittel. Die Nacht muss in der Schweiz zugebracht werden, sonst zählt sie nicht mit. Wer also aus Kostengründen gleich über der Grenze auf deutscher Seite eine Wohnmöglichkeit nutzt, der wird steuerlich anders behandelt, als wenn er auf der Schweizer Seite nächtigt.
Ist der Arbeitnehmer geschäftlich auf Reisen und verbringt er Nächte auch in Drittländern, dann wird das arbeitstäglich aufzuteilende Arbeitseinkommen insoweit nicht im Arbeitsland, sondern im Wohnsitzstaat versteuert. Das gilt aber nicht für leitende Angestellte, wenn sie mit ihrer Funktion im Handelsregister bzw. im Schweizer Amtshandelsblatt (SHAB) eingetragen sind. Geschäftsführer, Direktoren, Prokuristen und Verwaltungsräte zählen ihre 60 Tage anders. Für sie gelten nicht nur die in der Schweiz resp. Deutschland verbachten, sondern auch die in Drittländern und im Heimatland zugebrachten Tage mit bei der Prüfung, ob der Ausnahmetatbestand des Grenzgängers erfüllt ist oder nicht.