Betriebsstätte

Eine steuerliche Betriebsstätte ist kein eigenständiges Unternehmen, sondern ein unselbständiger Teil eines Unternehmens. Eine Betriebsstätte wird deshalb nicht gegründet, sie entsteht automatisch, wenn bestimmte, im Steuerrecht oder Sozialversicherungsrecht definierte Kriterien erfüllt sind.

Inhaltsverzeichnis

Die steuerliche Bedeutung der Betriebsstätte

Die Betriebsstätte hat steuerliche Bedeutung vor allem, aber nicht nur bei grenzüberschreitenden Sachverhalten. Der Begriff erstreckt sich nicht nur auf die Gewinnsteuern eines Unternehmens, es wird insoweit schon auf nationaler Ebene unterschieden zwischen Körperschaftsteuer, Einkommensteuer, und Gewerbesteuer.

Eine gewerbesteuerliche Betriebsstätte entsteht bei der Einrichtung von Büros oder Fabrikationsstätten abseits des Firmensitzes. Dasselbe gilt bei länger laufenden Bauaufträgen in anderen Gemeinden oder Städten und nicht zuletzt aufgrund der Beschäftigung von Arbeitnehmern im Home-Office. Ein Unternehmen, das somit in mehreren Städten und Gemeinden tätig ist, kann schon innerhalb Deutschlands mehrere Betriebstätten haben mit der Folge, dass in unterschiedlicher Höhe Gewerbesteuern anfallen. Eine Betriebsstätte kann auch isoliert entstehen hinsichtlich Lohnsteuer und Sozialversicherung bei der Beschäftigung von Arbeitnehmern im Ausland.

International haben Betriebsstätten eine Bedeutung in der Weise, dass abweichend von der nationalen Auslegung des Begriffs in den jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) Positiv- und Negativlisten enthalten sind und darüber eine Aufteilung des Besteuerungsrechts auf die beteiligten Länder geregelt wird. Im Zuge des sogenannten BEPS-Projekts der OECD hat die Definition der Betriebsstätte eine Inhaltliche Ausweitung erfahren, ohne dass in den DBA auch das geringste verändert wurde, haben sich mit einem Schlag rund 1700 Abkommen inhaltlich gravierend geändert.

DBA Betriebsstätte

Eines der Kriterien, anhand derer eine DBA Betriebsstätte entsteht, war schon immer die Beschäftigung, beziehungsweise auch nur der Einsatz eines Arbeitnehmers in einem anderen Land, wenn dieser Arbeitnehmer Kompetenzen zum Abschluss von Verträgen hatte. Nun kommt es nicht mehr darauf an, ob es sich um einen Arbeitnehmer oder einen Freelancer handelt und ob die entsprechende Person tatsächlich die Kompetenz zum Abschluss von Verträgen hat. Es reicht aus, wenn das Unternehmen aufgrund der Tätigkeit der im Ausland eingesetzte Person üblicherweise Verträge zustande kommen. Es ist dabei nicht von Bedeutung, ob das Unternehmen im Ausland eine feste Geschäftseinrichtung wie zum Beispiel ein Büro unterhält. Diese neue Sichtweise hat zum Ziel, die künstlichen Umgehung des Status als Betriebsstätte zu verhindern.

Unternehmen für Einkauf von Waren

Früher galten Einrichtungen, die ausschließlich für den Einkauf von Waren oder Lägern errichtet waren selbst dann nicht als Betriebsstätte, wenn dort eine Vielzahl von Menschen beschäftigt war. Die ganzen entlang der Autobahnen stehenden Logistikzentren zahlten daher keine Ertragsteuern. Nunmehr wird jede für das Unternehmen wichtige Struktur darauf untersucht, ob es sich um reine Hilfs- oder Nebentätigkeiten handelt, oder ob der Einkauf bzw. der Lagerumschlag nicht sogar die Haupttätigkeit des Unternehmens darstellt. Selbst das Kommissionslager bei einem ausländischen Kunden kann bei entsprechender Bedeutung für das Unternehmen als Betriebsstätte qualifizieren.

Maschinen und Anlagenbau

Im Maschinen- und Anlagenbau kommt es regelmäßig vor, dass Kernkomponenten In einem Land produziert und zum Einsatzort in ein anderes Land verbracht werden. Dort werden Fundamente hergestellt und die Anlage aufgebaut, oft mit Zusatzteilen und Helfern, die lokal beschafft wurden. Zur Inbetriebnahme muss die Anlage üblicherweise elektrisch angeschlossen und in das ERP System des Unternehmens eingebunden werden. Schließlich müssen die lokalen Mitarbeiter geschult werden, bevor schlussendlich die Abnahme erfolgt. Das Projekt kann sich über Monate oder Jahre hinziehen. Je nach Regelung in dem entsprechenden DBA werden die dort bestimmten Fristen für die Entstehung einer Bau- oder Montage Betriebsstätte überschritten. Das hat zur Folge, dass in dem anderen Land eine steuerliche Betriebsstätte entsteht. Dabei kann sogar das Wetter eine Rolle spielen. Denn nicht jede Unterbrechung der Montage wird bei der Berechnung der im DBA bestimmten Frist berücksichtigt.

Bau- und Montage-Betriebsstätte

Wenn eine Bau- und Montage-Betriebsstätte vorliegt, werden alle in dem Land eingesetzten Arbeitnehmer rückwirkend ab dem ersten Tag persönlich in diesem Land steuerpflichtig. Das kann sehr problematisch werden, wenn man geplant hatte, schneller fertig zu werden und damit eine Betriebsstätte zu vermeiden. Wenn sich erst Monate später entscheidet, dass von Anfang an eine Betriebsstätte angenommen wird, könnte man Probleme haben, die zunächst nicht einbehaltene Lohnsteuer und auch die Sozialversicherungsbeiträge von den Arbeitnehmern noch zu erhalten. Manchmal sind diese auch gar nicht mehr im Betrieb beschäftigt.

Dann schuldet der Arbeitgeber bzw. schuldet auch der in dem Land ansässige Auftraggeber die Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitnehmer. Zudem schuldet er oft die Umsatzteuer des Unternehmens, das er beauftragt hat. Die Haftung für Ertragsteuern tritt meist nicht ein. jedoch kann der Auftraggeber daran gehindert werden, die Schlussrate in das Ausland zu überweisen. Auf diese Weise setzt z.B. seine Ansprüche durch.

An der Beantwortung der Frage, ob eine Betriebsstätte vorliegt oder nicht, sind regelmäßig zwei Staaten mit unterschiedlichen Interessen beteiligt. Es ist deshalb ratsam, frühzeitig die Projektplanung unter steuerlichen Aspekten zu prüfen und die Situation mit den beteiligten Fiskalbehörden schon im Vorfeld zu klären.

Aufteilung der Ergebnisse

Wenn ein Unternehmen Betriebsstätten im Ausland hat, so wird das handelsrechtlich einheitliche Ergebnis des Unternehmens für Zwecke der Besteuerung aufgeteilt. Die Zuordnung der Erträge und Kosten erfolgt sachbezogen und damit unabhängig davon, wo diese angefallen sind. Denn es kommt auf den wirtschaftlichen Zusammenhang an. Da die beteiligten Länder insoweit zu unterschiedlichen Sichtweisen gelangen können, liegt eine partielle Doppelbesteuerung in der Luft.

In den DBA sind nur die Entscheidungskriterien festgelegt, wann eine Betriebsstätte vorliegt und wann nicht. Wenn man zu einer Betriebsstätte kommt, dann ist das Ergebnis des Unternehmens sachgerecht auf die beteiligten Staaten zu verteilen. Da die Vorschriften zur Gewinnermittlung von Land zu Land sehr unterschiedlich sind, kann man nicht einfach das Ergebnis der Betriebsstätte nach dem Standard des Mutterhauses ermitteln. Der Staat, in dem die Betriebsstätte verwirklicht ist, will in aller Regel eine Gewinnermittlung für das gesamte Unternehmen nach seinem Standard sehen. Denn nur so kann man eine Entscheidung treffen, ob die vorgenommene Zuordnung sachgerecht ist.

Unternehmen mit Standort China

Ein deutsches Finanzamt würde sich schwer damit tun, wenn ein chinesisches Unternehmen mit einer Buchhaltung daherkommt, die nach chinesischem Standard und in chinesischen Schriftzeichen erstellt ist. Das chinesische Unternehmen wiederum würde sich damit schwertun, nur wegen der Betriebsstätte in Deutschland die gesamte chinesische Buchhaltung nochmals zu erstellen, diesmal aber in deutscher Sprache und nach dem deutschen Standard HGB beziehungsweise nach dem deutschen Steuerrecht. Dieses Problem hat man praktisch mit allen Betriebsstätten in allen Ländern. Es ist daher bereits in der Buchhaltung dafür Sorge zu tragen, dass man z.B. über eine Kostenrechnung, am besten in englischer Sprache verfügt.

Eine Lösung kann der Weise unterstützt und gefunden werden, dass man das betriebliche Rechnungswesen so einrichtet, das alle Beteiligten die Daten nicht mehr lesen, sondern auch verstehen. Moderne ERP-Systeme können entsprechend ausgerüstet werden. in China und in Russland, wo solche Systeme nicht am Markt erhältlich sind, haben wir eigene Lösungen programmiert.

Jürgen Bächle
Jürgen Bächle

ist seit 1989 als selbständiger Steuerberater und Experte im internationalen Steuerrecht tätig und seit über 20 Jahren Mitglied im Vorstand des Deutschen Steuerberaterverbandes Baden-Württemberg, DSTVBW.

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