Verrechnungspreise

Lieferungen und Leistungen zwischen verbundenen Unternehmen und an nahestehenden Personen müssen steuerlich so gestaltet sein, wie das mit fremden Dritten vereinbart würde. Wenn dieser Grundsatz nicht eingehalten wird, dann erfolgt außerhalb der Bilanz eine Korrektur des steuerlichen Ergebnisses. Im Umfeld der Corona-Pandemie ergeben sich neue Fragestellungen, die für 2020 auch rückwirkend zu einer Änderung der Verrechnungspreise führen können. Mit Wirkung zum 1.7.2021 wurde das Außensteuergesetz umfassend überarbeitet. Deutschland will damit die von der OECD erarbeiteten Grundsätze für eine gerechtere Aufteilung der Steuer bei international tätigen Unternehmen erreichen. Dabei hat man sich nicht exakt an die Vorgabe der OECD gehalten, sondern schon auf Ebene des Gesetzgebers eigene Vorstellungen eingebracht. Die Finanzverwaltung hat in einem neuen BMF-Schreiben vom 14.07.2021 die bisher geltenden Grundsätze der Verwaltung in Bezug auf die Dokumentation und Gestaltung von Verrechnungspreisen umfassend neu formuliert. Das BMF-Schreiben bindet die Verwaltung, nicht jedoch den Steuerbürger bzw. die Unternehmen. Schon gar nicht bindet ein deutsches Gesetz oder gar ein BMF-Schreiben die Finanzverwaltung anderer Länder. So gesehen wurde mit dem neuen Gesetz in Deutschland zwar ein Schritt in Richtung auf die international anzuwendenden Vorgaben der OECD unternommen.  Das BMF-Schreiben legt die Sicht und die Auslegung des Gesetzes durch die deutschen Finanzverwaltung offen.  Für die Steuerbürger und Unternehmen ist damit aber die Notwendigkeit einer Auseinandersetzung mit der Sichtweise in den beteiligten Ländern nicht geringer geworden.

Inhaltsverzeichnis

Keine Gewinnverlagerungen durch Preisabsprachen

Weltweit achten die Finanzbehörden darauf, dass keine Gewinnverlagerungen dadurch entstehen, dass für Lieferungen und Leistungen zwischen verbundenen Unternehmen durch gezielte Preisabsprachen Ergebnisse von einem in ein anderes Land verlagert werden.

Um dem entgegenzuwirken und Kontrollen zu ermöglichen, wurden Standards geschaffen, nach denen die Unternehmen darlegen müssen, von welchen Überlegungen sie sich bei der Gestaltung der Preise haben leiten lassen. In Deutschland sind die gesetzlichen Pflichten in der Abgabenordnung und im Außensteuergesetz AStG geregelt. Das AStG wurde mit Wirkung teils per 1.7.2021, teils mit Wirkung ab 1.1.2022 umfassend neu gefasst. Das Bundesministerium der Finanzen hat prompt darauf reagiert und die “Verwaltungsgrundsätze Verfahren Verrechnungssteuer” mit BMF-Schreiben vom 14.7.2021 grundlegend überarbeitet. Die neuen Richtlinien sind auf alle noch offenen Verfahren anzuwenden, was einer de facto Rückwirkung gleichkommt.

Für die Unternehmen bedeutet dies, dass sie sich vor allem im Hinblick auf laufende oder künftige Betriebsprüfungen mit den neuen Grundsätzen befassen und notfalls auch abgeschlossene Jahre nochmals auf den Prüfstand stellen sollten. Das kann sowohl in Bezug auf die Rechtssicherheit, auch in den beteiligten anderen Staaten, als auch finanziell lohnend sein. Denn die Folge eine Nichtanerkennung der Verrechnungspreise führt entweder zu einer einseitigen Ergebniskorrekur und damit zu echter Doppelbesteuerung, wenn das andere Land nicht korrespondierend die alten bescheide ändert.

Ansonsten ist die Nichtanerkennung der Verrechnungspreise auch immer ein Thema, das die deutsche Finanzverwaltung gerne zur Annahme und Besteuerung von verdeckten Gewinnausschüttungen nutzt. Da in Betriebsprüfungen regelmäßig mehrere Jahre geprüft werden und zwischenzeitlich weitere Jahre ins Land gehen, entfaltet die Nichtanerkennung von Verrechnungspreisen regelmäßig hohe Sprengkraft. Gleichzeitig sind Verrechnungspreise bzw. deren Korrektur aber auch ein wirksames Instrument, steuerliche Verluste in einem Land mit den steuerpflichtigen Gewinnen im anderen Land zu verrechnen und damit Steuern zu sparen.

In erster Linie wird für die Gestaltung von Verrechnungsprisen im Geschäft mit nahestehenden Unternehmen der Fremdvergleich maßgebend sein. Wenn dieser nicht möglich ist, muss das Unternehmen die konkrete geschäftliche Beziehung anhand einer qualifizierten Risiko- und Funktionsanalyse beschreiben.

Das wichtigste an einer Dokumentation zur Gestaltung der Verrechnungspreise ist die Story, d.h. die Beschreibung der Beweggründe, weshalb man überhaupt eine Auslandsbeziehung geschaffen hat, weshalb man intern gerade so und nicht anders mit dem verbundenen Unternehmen umgeht, wer in der Geschäftsbeziehung welche Kompetenzen, welche spezifischen Chancen hat und wer welche Risiken trägt. Es geht kurz um den Ansatz “risk & function” . Abgeleitet daraus werden die Methoden untersucht, die zu einem möglichst sachgerechten Ergebnis führen. Eine Verrechnungspreis-Dokumentation ist deshalb keine Preisliste für Waren oder Dienstleistungen. Die Dokumentation beschreibt, weshalb man gerade diese und keine andere Methode für zutreffend hält und in welcher Bandbreite prozentualer Zuschläge man sich bewegen will.

Sowohl nach deutschem Recht, als auch nach den meisten anderen Rechtsordnungen hat eine Untersuchung und Dokumentation zu erfolgen über die Relevanz der von der OECD entwickelten sogenannten Standardmethoden. Es ist wie in einer Klausur in der Mathematik. Zielstrebig nur das Ergebnis hinzuschreiben genügt nicht; das Ergebnis muss hergeleitet werden. Deshalb müssen in der Dokumentation die in Rede stehenden Standardmethoden auch dann besprochen werden, wenn diese letztendlich nicht zur Anwendung kommen.

Die Finanzverwaltung verfügt naturgemäß über eine Vielzahl von Daten und damit über eine branchenspeifische Übersicht, wer welche Umsatzrenditen erzielt. Diese Daten hat der Steuerpflichtige nicht. Um nicht mit ungleichen Waffen zu kämpfen bleibt einem nichts anderes übrig, als sich notfalls eine spezifische Datenbankanalyse zu besorgen, d.h. Geld für ein Gutachten in die Hand zu nehmen. Im Ergebnis bekommt man dann eine Benchmark-Analyse. Darin werden die Daten vergleichbarer Unternehmen analysiert und eine Bandbreite der zwischen fremden Dritten erzielten Ergebnisse dargestellt.  Wer sich mit seinem Unternehmen innerhalb dieser Bandbreite bewegt, kann seine Verrechnungspreise gegenüber dem Finanzamt verteidigen. Wer das nicht kann, der braucht gute Argumente und einen wehrhaften Steuerberater, um nicht unterzugehen.

Besonderheiten wegen der Corona-Pandemie

Plan hin oder her, die Corona-Pandemie zwingt jedes Unternehmen, seien Situation neu zu überdenken. Auch unter fremden Dritten werden langfristig geschlossene Verträge gekündigt, dazu gibt das zum 1.1.2021 in Kraft getretene StaRUG, das Gesetz zu Sanierung und Restrukturierung von Unternehmen den nötigen Rechtsrahmen. Wenn im Zusammenhang mit der Gestaltung von Verrechnungspreisen der fiktive drittvergleich maßgebend ist, dann steht vor dem Hintergrund des StaRUG einer Änderung der bisherigen Praxis in der Gestaltung der Verrechnungspreise auch im Konzern bzw. bei verbundenen Unternehmen nichts entgegen.

Man kann sich tatsächlich fragen, ob das ausländische Tochter- oder Schwesterunternehmen vor dem Hintergrund der Pandemie noch in der Lage ist, die vereinbarten Risiken zu tragen. wenn das nicht der Fall ist stellt sich die Frage, welche tatsächlichen wirtschaftlichen Korrekturmöglichkeiten in Betracht kommen, Um das Überleben der Gesellschaft zu sichern. Dabei spielt auch das Interesse der inländischen Gesellschaft eine erhebliche Rolle. Nach Ansicht der bayerischen Finanzverwaltung Stellt eine krisenbedingte Verlustsituation noch keine ausreichenden Grund Für die Änderung der bisherigen Modalitäten Zur Gestaltung der Verrechnungspreise dar.

Hiergegen war das Bundesfinanzministerium im Schreiben des BMF vom 6.12.2018 der Meinung, dass sanierungsbedingte Maßnahmen zur Stützung oder Rettung eines verbundenen Unternehmens anzuerkennen sind. Denn auch fremde dritte würden zur Rettung einer langfristigen vorteilhaften Geschäftsbeziehung in einem Krisenfall den Kompromiss suchen und vorübergehende Gewinneinbußen hinnehmen.

Anpassung der Verrechnungspreise in Ausnahmefällen

In Ausnahmefällen, und Dazu gehört die Corona-Pandemie ganz gewiss, können Preisanpassungen auch nachträglich vorgenommen werden. Erforderlich ist, das man darlegen kann, dass man sich in vergleichbaren Film mit fremden Dritten ähnlich verhalten hätte. Im Zuge der Gestaltung von Verrechnungspreisen und natürlich auch im Zuge von deren Änderung sind immer mindestens zwei Staaten betroffen und man sollte die Rechnung nie ohne den Wirt machen. Deshalb ist es erforderlich, die Gründe für die Anpassung sauber zu dokumentieren und sie mit allen beteiligten Finanzbehörden schon im Vorfeld zu besprechen. Leider scheuen sich auch viele in- und ausländische Steuerberater vor solchen Besprechungen. aber letztendlich geht es nicht um sie, sondern um das gesamte Unternehmen einschließlich deren Umfeld, somit auch um die Kunden Lieferanten und Mitarbeiter.

Dokumentation der Verrechnungspreise

Es sind schriftliche oder elektronische Aufzeichnungen in sachgerechter Ordnung zu erstellen. Die Beurteilung muss in angemessener Frist möglich sein. Maßgebend sind Umstände des Einzelfalls, wie etwa die vom Steuerpflichtigen angewandte Methode. Es ist zudem erforderlich, dass dokumentiert wird, aus welchem Grund die konkrete Methode für die Verrechnungspreisfestlegung gewählt wurde. Im Gegensatz zum US-Recht, wonach der Steuerpflichtige belegen muss, dass die bei der Bestimmung der Verrechnungspreise von ihm gewählte Methode die am besten geeignete ist, wird der Steuerpflichtige in Deutschland nur verpflichtet aufzuzeichnen, warum er die gewählte Methode für geeignet hält.

Die Nichtbeachtung der Pflicht zur Dokumentation des Sachverhalts und der Angemessenheit der Verrechnungspreise führt dazu, dass Schätzungen und Zuschläge vorgenommen werden, denn es besteht dann gesetzlich die widerlegbare Vermutung einer Gewinnverlagerung.

Ausblick

Die Grundsätze sogar Gestaltung uns Dokumentation der Verrechnungspreise gilt nicht nur für verbundene Unternehmen, sondern findet Anwendung auch in der Zuordnung von Kosten und erlösen zu steuerlichen Betriebsstätten.

Die OECD hat mit ihrem Programm BEPS (Based Erosion Profit Shifting) Aktionspunkte und Maßnahmen festgelegt um rein steuerlich getriebene Gestaltungen zu bekämpfen. Die OECD-Mitglieder und damit auch Deutschland sind gehalten, die entsprechenden Maßnahmen in nationales Recht zu übernehmen. Dies erfolgt im Rahmen des ATAD-Umsetzungsgesetzes bzw. des Jahressteuergesetzes 2020. Am 10.12.2020 gab das Bundesfinanzministerium folgende Erklärung dazu:

„Die Richtlinie (EU) 2016/1164 des Rates vom 12. Juli 2016 mit Vorschriften zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken mit unmittelbaren Auswirkungen auf das Funktionieren des Binnenmarktes (Anti-Steuervermeidungs-Richtlinie / ATAD enthält ein Paket von rechtlich verpflichtenden Maßnahmen zur Bekämpfung der Steuervermeidung, die von allen Mitgliedstaaten gegen gängige Formen von aggressiver Steuerplanung angewendet werden müssen. Deutschland erfüllt zwar bereits heute weitgehend die von der ATAD vorgegebenen Mindeststandards. Gleichwohl besteht in einigen Bereichen noch Anpassungsbedarf. Mit dem Gesetz zur Umsetzung der Anti-Steuervermeidungsrichtlinie (ATAD-Umsetzungsgesetz — ATADUmsG) werden die Entstrickungs- und Wegzugsbesteuerung und Hybride Gestaltungen der ATAD umgesetzt sowie die Hinzurechnungsbesteuerung reformiert und zeitgemäß und rechtssicher ausgestaltet. In diesem Zusammenhang werden die Regelungen zur Sicherstellung einer fairen Aufteilung der Besteuerungsrechte bei multinationalen Unternehmen zeitgemäß ausgestaltet, sowie eine klare Rechtsgrundlage für Vorabverständigungsverfahren geschaffen, um die Rechtssicherheit für Verwaltung und Steuerpflichtige zu stärken.“ 

Bislang ist das noch nicht gesetzlich verankert, aber demnächst zu erwarten.

Jürgen Bächle
Jürgen Bächle

ist seit 1989 als selbständiger Steuerberater und Experte im internationalen Steuerrecht tätig und seit über 20 Jahren Mitglied im Vorstand des Deutschen Steuerberaterverbandes Baden-Württemberg, DSTVBW.

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